100 Jahre Zauberei in Dresden
Interview mit dem Vereinschef des Magischen Zirkels Dresden „Bartolomeo Bosco“, dem Mentalisten und Zauberhistoriker Dr. Steffen Taut
Herr Dr. Taut, welche sind die wichtigsten Jahre in der Zirkelgeschichte seit seiner Gründung und warum?
Es ist das Gründungsjahr.
Horst Lange, der seinerzeit aus Bonn nach Dresden umgesiedelt war, versammelte schon seit 1922 zauberinteressierte Dresdner um sich. Man verständigte sich zu Tricks und Präsentationsmöglichkeiten und fasste dann ein Jahr später im Juli den Beschluss, sich in einem Verein zusammenzufinden. Man gründete den Magischen Zirkel Dresden. Dieser durchlebte diverse Organisationsstrukturen bis in die 1930-er Jahre. 1936 fand man sich auf Initiative von Herbert Friebel wieder als Magischer Zirkel Dresden zusammen. Herbert Friebel sorgte auch dafür, dass der Zirkel das Ende Nazideutschlands unbeschadet überstand, im September 1945 erfolgte der formelle Neubeginn.
Es ist in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die erste öffentliche Vorführung eines sogenannten Zirkel-Ensemble-Programmes. Es nannte sich „Die Hexer von Dresden“. Eine legendäre und über Jahrzehnte gezeigte Show in den großen Sälen der Elbestadt: Auch in der seinerzeit bedeutendsten Dresdner Veranstaltungsstätte, dem Deutschen Hygienemuseum, spielte man. Bis 1965 wurde unter diesem Label die von Herbert Friebel und Eugen Wolfram begründete magische Show gezeigt.
Schließlich sind es die Jahre 1996 und 2003. 1996 fand die bislang einzige Deutsche Meisterschaft der Zauberkunst im Osten des Landes statt. Und wichtig: Mitglieder des Zirkels, vor allem Karl-Heinz-Kaiser und ich, standen schließlich 2003 an der Wiege des Großprojektes „DEUTSCHLANDs ZAUBERSCHLOSS“.
Wer sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Protagonisten in der Geschichte des Vereins gewesen und warum?
Natürlich ist es der Gründer des Zirkels, Horst Lange.
Es gehört dazu der langjährige Leiter des Magischen Zirkels Dresden und des Ensembleprogrammes „Die Hexer von Dresden“, Erich Kluge. Dieses Programm wurde bis 1965 27 Jahre lang gespielt. Kluge war zudem von 1956 bis 1959 1. Vorsitzender der Dachorganisation der Zaubervereine im Osten Deutschlands, des „Magischen Zirkels der DDR“.
Schließlich erwähne ich Peter Fischer, der anerkannt viel für die Dresdner Zauberszene geleistet hat. Er stand unserem Zirkel 30 Jahre vor und spielte eine bedeutende Rolle innerhalb der sogenannten „Zentralen Arbeitsgemeinschaft Zauberkunst der DDR“ bis 1990.
Fischer organisierte beispielsweise zahlreiche nationale „Treffpunkte Zauberkunst“ in Dresden, der größten derartigen Fachveranstaltung in der DDR.
Ihm ist es zu verdanken, dass sich der Zirkel, der sich seit 1932 um das Grab des besten Interpreten des Becherspieles im 19.Jahrhundert, Bartolomeo Bosco, auf dem Alten Katholischen Friedhof in Dresden- Friedrichstadt kümmert, bis in die Gegenwart dafür weiter engagiert.
Der Dresdner Zirkel gehört zu den ältesten in Deutschland, wie hat er das Image der Magie hierzulande mitgeprägt und wodurch?
Lassen Sie es mich etwas salopp umschreiben. Unseren Zirkel nannte man dereinst liebevoll die „Basteltruppe“ der Magie. Warum? Seit Anfang der 30-er Jahre wurde im Zirkel der Selbstbau von Zauberrequisiten betrieben. So ist überliefert, dass sich der Ingenieur Herbert Martin Paufler aus Blasewitz schon in den dreißiger Jahren funkferngesteuerte Tricks ausdachte. Christian Wiedemann, der unter dem Pseudonym „Widano“ auftrat, entwickelte selbst viele Kunststücke.
Heute ist es der Inspirator und Apparatebauer von Illusionen Karl-Heinz Kaiser, in dessen Striesener Werkstatt Star-Magier aus Europa, wie beispielsweise die Ehrlich Brothers, entwickeln und fertigen lassen.
Dies führte auch zu einer gewissen Premiumstellung Dresdner Magier im DDR-Showgeschäft in den 80-er Jahren. Ich nenne hier u.a. die Illusions-Shows des späteren „Duos Kaiser“, oder das monothematisch geprägte Programm von Mathias Leubert, der als „Magic Jimmy“ bekannt wurde.
Unsere Zirkelmitglieder wirkten an den Festivals „magic international“ im Dresdner Kulturpalast mit.
Wir organisierten 1996 die bis jetzt einzige Deutsche Meisterschaft der Zauberkunst in den Neuen Bundesländern.
Und: Wir sind sehr stolz, dass unsere Expertise zum Gelingen des FISM-Weltkongresses, also der Weltmeisterschaft der Zauberkunst“, ein Jahr später in Dresden beitrug.
Im Mosaik unserer breitgefächerten ehrenamtlichen Vereins-Tätigkeit möchte ich schließlich auch die dreimalige Ausrichtung der jährlichen nationalen Zaubergeschichtstagungen in der sächsischen Landeshauptstadt erwähnen. Das liegt mir persönlich am Herzen.
Allen Elbestädter Freunden der Magie ist schließlich die jährliche „Dresdner Zaubergala“ ein Begriff, die seit 2003 durch unseren Magischen Zirkel veranstaltet wird.
Besonders freuen wir uns, dass sich seit den 60-er Jahren intensive und sehr gute Beziehungen zur tschechischen Zauberszene entwickelt haben.
Es wäre noch viel mehr zu nennen.
Welche waren die manchmal so genannten „steilsten“ Straßen in der Vereinsgeschichte und warum?
Sie meinen, was uns besonders herausforderte…
Lassen Sie es mich so zusammenfassen: Es waren die durch unterschiedlichste Befindlichkeiten, wechselnde gesellschaftliche Rahmenbedingungen und andere Gründe seit 1924 immer wieder verursachte Spaltungen der Vereinsstrukturen. Dies dauerte bis 1995 an. Seitdem gibt es einen Magischen Zirkel in Dresden und das ist für die Zauberkunst in der Region ein Glücksfall.
Schließlich erinnere ich mich an ein, nennen wir es „Schicksalsprojekt“ für die damalige Zauberszene in der DDR. 1964 war es nämlich den drei damaligen Dresdner Zirkelmitgliedern Herbert Martin Paufler, Hans Tosari und Eugen Wolfram gelungen, den Beitritt des „Magischen Zirkels der DDR“ zum Weltverband FISM unterschriftsreif vorzubereiten. Die Aufnahme sollte zum Weltkongress 1964 in Barcelona erfolgen. Dieser Beitritt wurde von den verantwortlichen Kulturfunktionären der DDR verboten.
Das behinderte bis zur Wiedervereinigung die internationale Wahrnehmung der ostdeutschen Zauberszene sehr. Seit der Integration aller diesbezüglichen Ost-Vereine in den Magischen Zirkel von Deutschland hat es sich natürlich signifikant verändert.
Warum ehren Sie im Vereinsnamen explizit Bartolomeo Bosco? Worin bestehen seine bleibenden Verdienste um die Magie in Dresden?
Der in Turin geborene Bosco war die überragende Zauberkünstler-Persönlichkeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er bereiste ganz Europa, sowie dessen asiatische und afrikanische Nachbarregionen. Seine Berühmtheit in der damaligen Zeit kann man nicht mit der Bekanntheit heutiger Zauberkünstler vergleichen, eher mit jetzt aktuellen international agierenden Rock- und Popstars. Bosco spielte mehrfach in Dresden. Im Alter erkor er diese Stadt bis zu seinem Tod zu seiner Wahlheimat.
Wie ist es um den Vereins-Nachwuchs bestellt?
Über viele Jahrzehnte hatte der MZ Dresden keine Nachwuchsprobleme. Zauberkunst war und ist kein „Massensport“. Nur wenige nehmen die Mühen auf sich, sie zu erlernen. Entsprechend klein waren und sind die Neuzugänge (und Abgänge). Interessierte haben in der Vergangenheit den Weg zu uns gefunden, und das werden sie auch künftig tun.
Denn die Faszination des Unerklärlichen - genau das ist der Kern der Zauberkunst - ist im Menschen angelegt, also zeitlos. Im Unterschied zu früher ist es heute aber für Neugierige viel einfacher, Trickgeheimnisse in Erfahrung zu bringen. Wer beim oberflächlichen Trickgeheimnis stehen bleibt, bereichert die Zauberkunst nicht. Wer tatsächlich vorankommen möchte, wer Vorführqualität erreichen möchte, der sucht den fachlichen Austausch mit Gleichgesinnten. Den gibt es in hoher Qualität im MZ Dresden.
Gelegentlich hält sich die Auffassung, dass die „Blütezeit“ der magischen Kunst vorüber sei. Was entgegen Sie?
Wenn man „Blütezeit“ anhand der Bedeutung von Zauberkunstvorführungen im Vergleich mit anderen darstellenden Unterhaltungskünsten misst, dann haben heute die fernsehpräsenten Musikformate die Nase klar vorn. Mir sei aber die Meinung erlaubt, die Mehrheit des medial allgegenwärtigen „Deutschen Schlagers“ nicht als Blüte „der Musik“ anzusehen.
Wenn man eine Blüte an den Methoden der Zauberkunst und auch an ihrer intellektuellen Durchdringung seitens vieler Vorführender misst, dann steht die Zauberkunst heute um vieles besser da als in der Vergangenheit.
Fragt man beispielsweise in Las Vegas oder auf den Weltkongressen der Zauberkunst in aller Welt nach dem Zauberschloss in Dresden Schönfeld und nach Ihrem Verein, dann wird sehr anerkennend über diese gesprochen. Woran liegt es, dass in Dresden diese Bekanntheit leider noch sehr gering ist?
Bekannt ist heute nur, wem es gelingt, fernsehpräsent zu sein. Zauberkunst ist das z.B. in Großbritannien. In Deutschland ist da von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen viel Luft nach oben.
Am 4. November laden Sie und der Verein Magier aus ganz Europa für einen Tag in „DEUTSCHLANDs ZAUBERSCHLOSS“ ein. Wie läuft der Festtag ab?
Es wird viel über die Geschichte des Vereins erzählt und diskutiert. Wir freuen uns, dass der international bekannte Spitzenmagier Christoph Borer, Schweiz, über seine Kunststücks- Kreationen spricht und natürlich gehört am Abend eine Gala-Show des Magischen Zirkels dazu. Gespräche, Fachsimpeleien, Histörchen und Anekdoten werden unter den Gästen auch nicht zu kurz kommen.
Magie wird oft mit „mystischen" Fähigkeiten in Verbindung gebracht…Mit einem „Augenzwinkern“ gefragt: Haben die Mitglieder Ihres Vereins besondere Fähigkeiten?
Selbstverständlich! Sonst könnte ja jeder zaubern. Aus meiner Sicht bedarf es zum Beispiel bei den beiden weiblichen Zirkelmitgliedern, Heidrun Spiekermann und Kerstin Straßburger schon mystische Fähigkeiten, um mit den übrigen „zauberverrückten“ Männern des Vereins wunderbar zurecht zu kommen. Oder unser Finanzchef Bernhard Jakob, der mit mystischer Präzision neben seiner Liebe zum guten Ton auf der Bratsche auch noch die Vereinsfinanzen ohne Dissonanzen verwaltet.
Was wünschen Sie sich für die nächsten Jahrzehnte der Vereinsexistenz innerhalb der Dresdner Kulturszene?
Kurz gesagt: Überwindung des immer noch gefühlten Grabens zwischen „U“(Unterhaltung) und „E“, sogenannter ernster Kunst.
Können Sie sich vorstellen, dass es wieder einmal einen Weltkongress der Zauberkunst in Dresden gibt?
In absehbarer Zeit ist das sehr unrealistisch. Ich bin daher froh, dass wir den Dresdner Weltkongress zu einer Zeit auf die Beine gestellt hatten, als die Randbedingungen dafür vorhanden waren. Ein Konzertsaal ohne Theaterbühne ist dafür nicht geeignet. Die Dresdner Theater fassen zu wenig Gäste. Der „Charme“ von Messehallen ist der Wirkung von Shows abträglich.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Autor: Rolf Garmhausen
Visitenkarte Magischer Zirkel Dresden „Bartolomeo Bosco“ |
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Vereinsgründung: |
12.07.1923 |
Alter: |
100 Jahre. Er ist die 10.Ortsgruppe des heute so bezeichneten Magischen Zirkels von Deutschland mit ca. 80 derartigen Gruppen. Von den etwas früher gegründeten Ortsgruppen existieren heute noch sechs |
Mitgliederzahl: |
28 |
Vereinstreff: |
Einmal monatlich auf DEUTSCHLANDs ZAUBERSCHLOSS. |
Vereinssitz: |
Dresden |
Veranstaltungen: |
Dreistellige Anzahl pro Jahr. |
Besonderheiten des Dresdner Vereins: |
Die Möglichkeit, auf DEUTSCHLANDs ZAUBERSCHLOSS spielen zu dürfen. Eine jahrzehntelang gewachsene Szene, die eine hohe Vorführqualität vieler unserer Mitglieder befördert hat. Er ist Bestandteil des internationalen Zauberkünstlernetzwerks.
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Gründungstext |
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Der „Wettstreit der Magie“ am 09.03.1938 war die erste große Veranstaltung, mit der der MZ Dresden öffentlichkeitswirksam auftrat. Organisatoren waren Herbert Friebel und Eugen Wolfram. |
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Herbert Friebel war 1936 der Wiedergründer des einige Jahre inaktiven MZ Dresdens. Später hat maßgeblich er den Erhalt des Bosco-Grabs betrieben. Ihm war die formell notwendige Wiedergründung des Vereins nach Kriegsende bereits im September 1945 gelungen. |
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Erich Kluge war langjähriger Leiter des Ensembles "Die Hexer von Dresden". Von 1947 bis 1961 stand er dem MZ Dresden vor. Von 1956 bis 1959 leitete der den DDR-weiten Zauberkunst-Dachverband, den "Magischen Zirkel der DDR". | |
Eugen Wolfram war bereits seit 1928 in Leitungsfunktion im Dresdner Zauberverein "Maja" tätig. Er gehörte zu den Wiedergründern des MZ Dresden 1936. Er war der Gründer der "Hexer von Dresden". Er war seit den 1950er Jahren für sehr viele junge Dresdner Zauberkünstler Mentor. | |
Christian Wiedemann war von 1978 bis 1995 Vorsitzender des einen der seit 1977 in Dresden bestehenden zwei Magischen Zirkel. Er hat jahrzehntelang ehrenamtlich Dresdner Nachwuchs- und Kinderzirkel geleitet. |
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Peter Fischer war von 1973 bis 2003 Vorsitzender des anderen der zwei in Dresden bestehenden Magischen Zirkel. Er hat als Mitglied der Zentralen Arbeitsgemeinschaft Zauberkunst der DDR viele große Zauberkunst-Tagungen der 1970er und 1980er Jahre in Dresden organisiert. Er war Hauptorganisator der Deutschen Meisterschaft der Zauberkunst 1996. Ihm war 1997 die Aufstellung einer nahe am Original gehaltenen Rekonstruktion des historischen Grabsteins Bartolomeo Boscos zu verdanken. |
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FISM-Weltkongress im Dresdner Kulturpalast 07.07.-10.07.1997 |
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Fünf Mitglieder des MZ Dresden bildeten 2005 das Ensemble "Verhext + Zugemogelt", das bis 2022 auf dem Zauberschloss spielte. |
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